Gewichtsprobleme gehören zu den häufigsten ernährungsbedingten Erkrankungen beim Hund. Sowohl Übergewicht (Adipositas) als auch Untergewicht können erhebliche gesundheitliche Konsequenzen haben und bedürfen einer gezielten Diagnostik und Therapie. Die Prävalenz von Übergewicht bei Haushunden liegt in Mitteleuropa bei schätzungsweise 30–50 %.
1. Übergewicht und Adipositas
Definition
Übergewicht liegt vor, wenn das Körpergewicht den Idealwert um mehr als 10 % übersteigt; Adipositas ab einem Überschuss von > 20 %. Die Beurteilung erfolgt anhand des Body Condition Score (BCS) (Skala 1–9 oder 1–5).
Ursachen
Überernährung: Übermäßige Kalorienaufnahme durch energiereiches Futter, Leckerlis, Tischreste
Bewegungsmangel: Besonders bei älteren oder städtisch gehaltenen Hunden
Kastration: Führt zu reduziertem Grundumsatz und gesteigertem Appetit
Endokrine Erkrankungen:
Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
Hyperadrenokortizismus (Cushing-Syndrom)
Diabetes mellitus (sekundär bei fortgeschrittener Erkrankung)
Rassedisposition: Labrador Retriever, Beagle, Cocker Spaniel u. a.
Folgen von Adipositas
Arthrosen, degenerative Gelenkerkrankungen
Diabetes mellitus
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Hautfaltenprobleme, Intertrigo
Atemwegserkrankungen
Reduzierte Lebenserwartung und Lebensqualität
Diagnostik
Erhebung von Körpergewicht und BCS
Umfangsmessungen (z. B. Taille, Brust)
Blutuntersuchungen bei Verdacht auf endokrine Ursachen
Bewegungsprofil und Fütterungsanamnese
Therapie
Diätmanagement: Reduktionskalorienfutter mit hohem Faseranteil, moderatem Protein, ggf. L-Carnitin
Fütterungsplan mit täglicher Kalorienvorgabe (berechnet nach aktuellem Gewicht und Zielgewicht)
Bewegungstherapie: Steigerung der körperlichen Aktivität angepasst an Kondition und Gelenkstatus
Verhaltenstherapie: Schulung der Besitzer, Meideverhalten bei Futterbetteln
Medikamentöse Unterstützung: In seltenen Fällen (z. B. Dirlotapid; zugelassen, aber selten indiziert)
2. Untergewicht
Definition
Ein BCS unter 4/9 (bzw. < 3/5) deutet auf Untergewicht hin. Sichtbare Rippen, fehlende Fettdepots und Muskelatrophie sind klinische Merkmale.
Ursachen
Mangelernährung: Unzureichende Kalorienzufuhr, qualitativ minderwertiges Futter
Chronische Grunderkrankungen:
Malabsorption/-digestion (z. B. exokrine Pankreasinsuffizienz, IBD)
Neoplasien
Chronische Infektionen (z. B. Leishmaniose, Babesiose)
Parasitenbefall (insbesondere bei jungen Hunden)
Psychogene Ursachen: Stress, Angststörungen
Altersbedingte Inappetenz (z. B. bei seniler Dysfunktion)
Diagnostik
Ernährungs- und Haltungsgeschichte
Blutprofil, Urin, Kotuntersuchung
Bildgebung (Röntgen, Ultraschall)
Endoskopie, Biopsien bei gastrointestinalen Ursachen
Therapie
Kalorienreiches, hochverdauliches Futter, ggf. angereichert mit Omega-3-Fettsäuren, B-Vitaminen
Behandlung der Grunderkrankung
Fütterungstechnik: Häufige kleine Mahlzeiten, erwärmtes Futter, Zwangsfütterung nur in Notfällen
Prävention und Langzeitmanagement
Regelmäßige Gewichtskontrollen und BCS-Bewertung (mind. 2× jährlich)
Beratung der Halter bzgl. Energiebedarf, Fütterungsempfehlungen und Bewegung
Frühzeitige Intervention bei Gewichtsveränderungen